Film • Theater • Regie
Konzeptionelle Überlegungen
Duelle 06 wurde im Rahmen des Sportspektakels Helden 06 am Schauspiel Leipzig aufgeführt. Die Inszenierung zeigte insgesamt 5 Szenen, die unter dem Stichwort „Duelle“ aus Klassikern der dramatischen (und postdramatischen) Literatur ausgesucht wurden:
aus Maria Stuart von Friedrich Schiller − Duell der Frauen
aus Der Lohndrücker von Heiner Müller − Duell der Arbeiter
aus Faust von Johann W. Goethe − Duell der Liebenden
Ithaka von Gottfried Benn − Duell der Mediziner
aus Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr von Rene Pollesch − Duell der Globalisierungs-Ichs
Im Zentrum der Beschäftigung stand die Frage, inwieweit in einer pluralistischen und umfassend liberalisierten Gesellschaft Duelle überhaupt noch möglich sind. Unser inszenatorischer Zugriff basierte dabei auf folgender Überlegung: Trafen sich früher Duellanten meistens zur Mitternachtsstunde an einsamen Orten, treibt es heutzutage den schlaflosen jugendlichen Zeitgeist zu dieser Stunde eher zum Abhängen und Amüsieren in diverse Clubs. Warum nicht ein Format entwickeln, das beides miteinander verbindet: die Duelle (bzw. deren Ausformulierung in den klassischen Dramen) und die Partykultur? Die Inszenierung zeigte den Besuch von zwei jungen Frauen im Amazon-Spiele-Club: einem Club, der auf der Suche nach partyfähigen Duellen die dramatische Literatur durchforstet hat und daraus Spiel-Sets entwickelt hat, die alles enthalten, was ein gutes Party-Duell braucht.
Jackass:
Auf einer großformatigen Leinwand im Hintergrund der Bühne (als Teil des Clubs) liefen über die gesamte Inszenierungsdauer Videozusammenschnitte von Jackass − jenem berühmten MTV-Format, in dem junge Männer Stunts produzieren, deren Sinn in der höchsten − geradezu selbstzerstörerischen − Schmerzzufügung besteht. Die Entscheidung für einen solch präsenten − und nicht unproblematischen − Einsatz der Videoprojektion fiel aufgrund von inhaltlichen Überlegungen: Jackass scheint eine Adaption des Duellgedankens in die Jugendkultur der postmodernen Spaßgesellschaft zu sein. Angesichts des zunehmenden Verschwindens körperlicher Erfahrungen zeigt Jackass den radikalen Entwurf einer Communitiy, in der Gleichgesinnte Formen absurder körperlicher Belastungssituationen suchen. Die allen Aktionen zugrunde liegende Prämisse scheint zu sein, im Duell mit sich und seiner verrückten Umwelt gemeinsam Spaß und Freude zu entwickeln und sich als Individuum seiner selbst bewusst zu werden. Obwohl das Format eindeutig auf eine Zielgruppe hin angelegt ist, gelingt den Machern von Jackass damit zugleich eine radikal-subversive Kritik an einer Medienindustrie, die charakterisiert ist von permanent zunehmender Reizüberflutung, ständig steigenden Wahrnehmungsschwellen und Orientierungslosigkeiten ihrer Konsumenten.