Der Reigen von Arthur Schnitzler

Konzeptionelle Überlegungen

Der Reiz des Reigens liegt nicht darin, die ewige Wiederholung der immer gleichen Sache zu zeigen. Eine solch perlenartige Aneinanderreihung, die sich am Ende in einem Kreis schließt, ist offensichtlich. Interessanter jedoch sind die in den einzelnen Szenen gesetzten Akzente, die eine Verschiebung über die Szenen hinweg deutlich werden lassen.
Die Szenen 1 bis 3 konzentrieren sich zunächst nur auf die Verführungsstrategien. Sie zeigen den Schematismus der Verführung. Die Sprache deckt sich völlig mit dem, was auf der Handlungsebene abläuft; sie begleitet das körperliche Agieren (auf den Akt hin, die Leerstelle des Aktes, vom Akt weg), ohne ihm etwas hinzuzufügen (und kann deshalb weggelassen werden). Die darauf folgenden Szenen sind komplexerer Art. Sie ergänzen die Verführungsstrategien durch verschiedene Wissensdiskurse (moralische, poetisierende, philosophische). Interessant sind dabei vor allem die Szenen 4 bis 6 sowie die Szenen 8 und 10.
In den Szenen 4 bis 6 gibt es, anders als in den übrige Szenen, einen über die einzelne Szene hinausgreifenden Konflikt: Die Frau geht fremd (4), da sie nicht genug Zuwendung seitens ihres Ehemannes bekommt (5). Dieser wiederum definiert die Ehe als bestimmte Form der Partnerschaft, die gewisse Dinge ausschließt, welche allerdings anderweitig kompensiert werden müssen (6). Die übergreifende Klammer, die das Verhalten beider Partner bestimmt, ist ein moralischer Diskurs, der vom Ehemann vorgegeben ist.
Szene 8: Die Szene lässt sich als Metaszene des gesamten Stückes verstehen, da in ihr die Verführungsspiele an sich problematisiert werden. Das Verführungsspiel wird nur noch zitiert, anstatt authentisch und ernsthaft betrieben zu werden. Es ist ohnehin klar, dass es geschehen wird. Die Sprache löst sich ab von ihrer eigentlichen Funktion, das Zur-Sache-Kommen zu begleiten bzw. in ein diskursives Feld einzubetten.
Szene 10 hat eine eigenständige Qualität, deren hauptsächliches Motiv Erinnerung ist. Sie handelt von Vergangenem und ist somit der Kontrapunkt zum Reigen, der sich ganz der Gegenwart hingibt: Während dieser die ewige Wiederkehr verspricht, die Auflösung von Vergangenheit (alte Rendevous) und Zukunft (neue Rendevous) in der reinen Gegenwart des Aktes, formuliert die letzte Szene ein Begehren über das Unmittelbare hinaus. Die Szene durchbricht zwar nicht das Prinzip des Reigens, hebt sich aber in signifikanter Weise von den restlichen Szenen ab.

Szenische Struktur der Inszenierung:
I stumme Eröffnung: Choreografie der Verführungsstrategie
II Szenen 4 bis 6 (Junger Herr und Frau, Frau und Ehemann, Ehemann und süßes Mädchen)
III Szene 8 (Dichter und Schauspielerin)
IV Epilog: Szene 10 (Graf und Prostituierte)

Bühnenraum:
Zwei Aspekte standen zu Beginn der Überlegungen: Wie geht man mit der (textlichen) Leerstelle des Beischlafes und dem voyeuristischen Blick (der Zuschauenden) um? Experimentiert wurde zunächst mit radikalen Fragmentierungen des Blickes. Anfangs wurden (semantisch) drei Räume gedacht: der Raum des Rumpfes, der Raum der Kopfes und der Raum der Sichtbaren. Schlussendlich wurde ein schmaler, von hinten beleuchteter Schlitz in die Hinterbühne integriert, der nur scherenschnittartige Konturen sichtbar werden ließ. Bespielt wurde dieser Schlitz in den Beischlaf-Momenten (sichtbare Rümpfe) sowie zwischen den Szenen (sichtbare Körperfragmente: Hand, Fuß, Kopf).