Wolf Haas: Komm, süßer Tod (UA)

Konzeptionelle Überlegungen

Komm, süßer Tod basiert auf dem gleichnamigen Kriminalroman von Wolf Haas und entstand zuächst als Werkstattaufführung am Schauspiel Leipzig. Mit dieser Arbeit wurde das Format der Live-Film-Performance entwickelt: Ein Schauspieler stellt in einer aus Papierhäusern gebauten Miniatur-Modellwelt und mit Hilfe von Puppen, Matchbox-Autos und einer Vielzahl von Utensilien den Kriminalfall nach, währenddessen eine Kamera den von ihm nachgespielten Krimi aufnimmt und live auf eine Videoleinwand sowie mehrere Monitore überträgt. Für die Zuschauer, die um das Set herumsitzen, ergibt sich dadurch die Möglichkeit, sowohl den live erstellten Film über die Monitore als auch den Schauspieler in seinem Agieren vor der Kamera zu verfolgen. Nicht zuletzt aus diesem Kontrast zwischen erzeugter Realität im Film und der ausgestellten Herstellung des Films (in seiner Einfachheit) speist sich das Amüsante des Abends. So ist beispielsweise auf der Filmebene ein fahrender Krankenwagen zu sehen (und zu hören), währenddessen der Schauspieler einen Matchbox-Krankenwagen auf der Stelle bewegt und gleichzeitig eine Leinwand hinter dem Auto vorbeidreht.
Der Charakter des live gedrehten Films ist geprägt von Detailaufnahmen. Die Fokussierung auf Details schafft zunächst die Möglichkeit, den Set-Umraum (und damit auch die Zuschauer) auszublenden. Vor allem aber ist es mittels der Detailaufnahme-Technik möglich, über kleine Accessoires (Handschuh, Brille, Brustimitat, lackierte Fingernägel etc.) verschiedenste Figuren zu etablieren. Während der Zuschauer permanent nur einen einzigen Schauspieler wahrnimmt und verfolgt, wird kontrastiv auf der Filmebene mit der Illusion eines Vielfigurenplots gespielt: Über den Abend verteilt erlebt der Zuschauer 14 Figuren.

Adaption der Romanvorlage:
Die Theateradaption des Romans von Wolf Haas muss zwei Probleme lösen bzw. dafür angemessene Übersetzungen finden: Der Roman ist zu lang und er ist - aufgrund seiner sprachlichen Textur - zu komplex. Die Komplexität der sprachlichen Textur ist vor allem die Folge eines gedanklichen Mäanderns des Erzählerfigur, das nur sehr vermittelt dem eigentlichen Plot zuträgt. Beide Probleme wurden insofern gelöst, als der eigentliche Romanplot sehr stark vereinfacht wurde (parallele Handlungsstränge reduziert oder gestrichen, Figuren zusammengelegt etc.), um damit zugleich frei zu werden für szenische Möglichkeiten, die das gedankliche Abschweifen der Erzählerfigur nachvollziehbar machen. Das Entstehen solch gedanklich-szenischer Partikel wurde strukturell auch dadurch gefördert, dass die Erzählerfigur die zentrale Instanz des Abends bleibt. Sie ist es, die am Modell »arbeitet«, Dinge veranschaulicht. Aber dem Haas'schen Erzählen gemäß emanzipieren sich in der Modellwelt immer wieder einzelne Szenen vom Erzähltext, laufen weiter, kommentieren oder konterkarrieren ihn.