Reigen reloaded (nach Schnitzler)

Konzeptionelle Überlegungen

Reigen reloaded war zunächst als reines Arbeitsprojekt gedacht, welches das Material der ersten Inszenierung des Schnitzler-Textes von 2002 aufgriff. In der konkreten Umsetzung wurde die Inszenierung dann konsequent auf das Format der Notaufnahme am Schauspiel Leipzig hin entwickelt. Die Notaufnahme ist ein Freitagabendclub, der mit DJ, Bar und minimalem theatralen Programm auf ein sehr junges Publikum ausgerichtet ist. Die Entscheidung für diesen Spielort hatte zur Folge, dass wir nach Erzählformen suchen mussten, die das Publikum, das nicht im abgeschirmten Theaterraum sitzt, ansprechen und die Szenen ihren Erfahrungskontexten zugehörig erscheinen lassen. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung war eine frische Inszenierung, die mit der alten nur noch wenig gemein hatte. Sie dauerte knapp 30 Minuten und beschränkte sich auf drei Szenen:
Szene 4: Junger Herr und junge Frau
Szene 5: Junge Frau und Ehemann
Szene 6: Ehemann und süßes Mädchen
Als Einstieg in die Inszenierung funktionierte ein knapp fünf Minuten dauerndes Intro: Zu Musik von Stereo Total und Maximo Park zeigten die zwei Schauspielerinnen und die zwei Schauspieler eine schnelle Abfolge von Miniatur-Szenerien, die das Reigen-Prinzip offen legen: ein Kette meist zufällig entstehender und sich wieder auflösender Beziehungsmomente. Aus diesem Intro wurde übergangslos in die 1. Szene übergeblendet.
Der Zugriff auf alle drei Szenen bestand darin, alle vier Figuren und die von ihnen vertretenen Beziehungsmodelle gleichwertig zu behandeln. Jede der Figuren − auch der scheinbar anachronistisch wirkende Ehemann − wurde ernst genommen, keine durch Ironie verurteilt oder einem Verlachen preisgegeben. Das Spannende war vielmehr zu sehen, wie alle vier Figuren versuchen, ein jeweiliges Beziehungsmodell zu leben und zu verteidigen, das ihnen − aus den verschiedensten anzunehmenden Gründen und Ängsten heraus − als das derzeit angemessenste erscheint. So begriffen wir beispielsweise den Ehemann als denjenigen, der eine feste, auf Monogamie und Verzicht basierende Beziehung präferiert. Sein Beziehungsmodell weist vehement jene Frauen zurück, die sich aus Angst vor Einschränkung nicht binden wollen, sondern vielmehr ein freizügiges Beziehungsmodell leben. Dass beim Ehemann dahinter auch Ängste (Teil eines houellebecqschen Marktes zu sein) und unverarbeitete Erfahrungen stehen, zeigen seine beiden Szenen.
Parallel dazu konnten wir das süße Mädchen zu eben jener verspielten jungen Frau entwickeln, die die vom Ehemann kritisierte Freizügigkeit lebt, aber trotzdem auf der ernsthaften Suche nach Bindung, Liebe und aufrichtigen Gefühlen ist.

Original und Bearbeitung:
Der Originaltext von Schnitzler wurde behutsam eingestrichen. Zudem änderten wir, wo es uns notwendig schien, Formulierungen. Die durch die Figuren formulierten Gedanken und Ideen ließen sich so unserem Verständnis anpassen. Beispielsweise konnten wir dadurch den Gedanken der „gefallenen Frauen“, wie ihn der Ehemann formuliert und wie er heute nicht mehr Teil unseres Diskurses ist, neu denken: Es sind die „Frauen, die auf nichts verzichten wollen, weil sie ALLES wollen“, die der Ehemann als für ihn nicht akzeptabel zurückweist. Durch solche Änderungen gelang es uns, die Argumentationen der Figuren strukturell zu erhalten, sie aber behutsam unserem Verständnis und Zeitgeist anzupassen.