Mein erster Tag in Deutschland

Konzeptionelle Überlegungen

Mein erster Tag in Deutschland war ein Erlebnisparcours zum Thema „Werte und Republik“. Er wurde zum Tag der offenen Tür 2006 am Schauspiel Leipzig eingerichtet und verwandelte den gesamten Keller in eine in sich abgeschlossene Republik. Der Parcours bestand aus 18 aufeinander folgenden Stationen. Die Besucher konnten den Parcours nur einzeln durchlaufen. Sie wurden im Anderthalb-Minuten-Abstand eingelassen. Um in die Republik zu gelangen, musste jeder Besucher einen Einreiseantrag einreichen und sich einem (3 Fragen umfassenden) Einreisetest unterziehen. Anschließend erhielten die Besucher/Bürger ein Begrüßungsgeld, das in der Republik benutzt werden konnte. Die einzelnen Stationen waren Miniatur-Szenerien, in denen Fragestellungen bürgerlichen Selbstverständnisses thematisiert wurden. Die Besucher/Bürger wurden durch gezielte kleine Interaktionen und Beobachtungen zur Auseinandersetzung mit dem Thema „Werte und Republik“ angeregt. Dabei wurden sowohl tagespolitisch aktuelle Wertedebatten aufgenommen als auch Nachwende-Erfahrungen reflektiert. Bespielt wurden die Stationen von 28 Jugendlichen (vom Jugendclub), 2 Kindern (von einem Leipziger Fußballverein) und 8 alten Damen (vom Theaterclub) − jeweils in Doppelbesetzung, da die Republik über 6 Stunden geöffnet war.

Stationen:
Station 1: Amt
Station 2: Prostitution
Station 3: Müll
Station 4: Träume
Station 5: Werbung
Station 6: Altersheim
Station 7: Graffiti
Station 8: Bürgerinitiative
Station 9: Fußball
Station 10: Club
Station 11: Flohmarkt
Station 12: Dienstleistung
Station 13: Casino
Station 14: Wohnzimmer
Station 15: Theater
Station 16: Ausstellung
Station 17: TV (Coaching)
Station 18: TV (Sendung)

TV-Station:
Für die letzte Station des Keller-Parcours wurde TV-Station eingerichtet, von der aus live ein Programm auf zwei Fernsehgeräte in die Garderobenhalle gesendet wurde. Die Besucher/Bürger in der Republik hatten die Möglichkeit, die Produktion der Sendungen vor Ort zu erleben − entweder als Zuschauer einer Sendung (mit Eintrittsgeld) oder selbst als Akteure (mit Gage). Die TV-Station produzierte zwei Sendungen: eine Casting- und eine Talkshow. Zwischen den Sendungen gab es Werbeblöcke − Zusammenstellungen alter TV-Werbungen aus den 1990-er Jahren.
Die Talkshow trug den Namen „Dieter spricht mit dir“ und ging konzeptionell auf Äußerungen des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt zurück. Dieser hatte für die Wiedereinführung des Benimmunterrichtes an Schulen plädiert. Ausgehend davon unterhielten sich in der Talkshow Experten zum Thema „Fühl ich mich wohl in meinem Land − Brauchen wir positive Werte?“. Dabei wurden aktuelle Bücher (Paul Nolte: Generation Reform, Eva Hermann: Das Eva-Prinzip) und die diesem Zusammenhang geführten Wertedebatten reflektiert. In (simulierten) Live-Schaltungen in einen Leipziger Park konnten sich die Besucher/Bürger außerdem zu den diskutierten Themen befragen lassen.
Die Castingshow „Du bist dein Superstar“ nahm Bezug auf die aktuelle Medienpräsenz der Castingshow-Formate. Die Besucher/Bürger, die sich entschlossen hatten, an der Castingshow teilzunehmen, wurden zunächst professionell in der Maske auf ihren Auftritt vorbereitet. Anschließend sang jeder Teilnehmer ein Lied im Play-back-Verfahren. Hierfür stand eine Auswahl an 12 Songs zur Verfügung. Nach seinem Auftritt wurde jeder Teilnehmer durch den Moderator der Sendung befragt. Der Moderator versuchte dabei vor allem, Lust darauf zu vermitteln, nicht perfekt zu sein.
Es wurden an der TV-Station insgesamt drei Sets verwendet: die Castingshow, die Talkshow sowie die Live-Schaltung. Hierzu wurden über eine Leinwand unterschiedliche Hintergründe eingeblendet. Die dazugehörigen Inventare wurden in den Werbepausen umgeräumt. Jede Sendung hatte einen eigens für sie produzierten Jingle.